Eva Justin und die »Feldforschung« der Antiziganisten

All diese vielen verschiedenen Versuche, alles aufzuzeichnen, um es an Nachfolgegenerationen ähnlich sammelwütiger Misanthropen weiterzuvererben, kann man nur als tief verwurzelten Hass interpretieren.

Ja! Misanthropen, wenngleich man auch nach 600 Jahren nicht das Gefühl hat. dass sich etwas geändert hat. Keiner der Antiziganisten wollte nach Kriegsende einen Schlussstrich unter die eigene Forschung setzen, um damit anzuerkennen, dass Datenschutz auch für Sinti gilt. Nein, es wurde weiter geforscht, die Erkenntnisse wurden lediglich an neue Dienstherren mit neuen Aufgabenschwerpunkten weiter gegeben.

Von den Erben von Karin Magnussen ist bekannt. dass sie sich auch kurz vor Einweisung in das Altenheim nicht von Ihrer Augensammlung trennen wollte. Einer Sammlung, die Mengele angefertigt und die vielen Kindern das Leben gekostet hatte.

Nach wie vor – der jeweilige Lebenszusammenhang ist nahezu belanglos – kann man sich als Sinto outen und erlebt in sehr praktischer und anschaulicher Weise, die Wirkung von Vorurteilen. Schneller kann man sich gar nicht wie ein zur Sprache begabtes Tier fühlen. Es ist noch nicht ganz ausgesprochen und schon spürt man die bohrenden Blicke wie auf dem Ausstellungsstück eines völkerkundlichen Museums oder wird in nicht persönlichen Diskussionen über Massenmedien ein paar Stufen in der sozialen Anerkennung nach unten versetzt.

Was Menschen aus der Mehrheitsgesellschaft dabei ebenfalls vergessen, ist die Tatsache, dass sich dieses Outing zur Zugehörigkeit zu einer Ethnie nie mehr rückgängig machen lässt, vergessen wird oder gar verzeihlich aufgenommen – ganz egal was passiert.

Sicher trifft man immer wieder, solange man selbst offen bleibt, auf deutsche Menschen anderer Ethnie, die die ganzen dämlichen Vorurteile nicht gebetsmühlenartig wiederholen oder abgeschmackt aufbereiten. Aber es bleiben Ausnahmen.

Bewegt man sich als Sinto in einem öffentlichen Raum, in dem man sich die Zusammensetzung der Gesprächspartner nicht aussuchen kann, sollte man sich im Vorfeld schnell ein dickes Fell zulegen, bevor man eine weiteres Mal mehr von der eigenen Sensibilität abgestraft wird.

Kommt die Sprache in einer Gruppe »Nichtziganer« auf den »Zigeuner« werden im Handumdrehen alle Negativ-Klischees bemüht, die man sich nur vorstellen kann. Das erste ist Delinquenz in den verschiedensten Ausformungen von Diebstahl, Einbruch bis zu Totschlag, gefolgt von verminderter körperlicher Kontrolle und Pauschalisierungen wie Steuerfreiheit. staatliche Zuwendungen und weitere Protektion, die eigentlich »nur Perlen vor die Säue« sein kann, weil man »damit ja eh nichts erreicht«.

Denn die Haltung, die einem entgegenschlägt, bleibt: Eigentlich lebt der „Zigeuner“ im Wohnwagen und streift am liebsten bunt gekleidet durch den Wald, wenn er nicht gerade faulenzt und ein totes Tier auf dem Grill wendet.

Wenn das in groben Zügen auch Ihrem Wissensstand entspricht, können Sie mit Fug und Recht behaupten, dass Sie selbst ein falsches Bild im Kopf haben …

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